Klinikskandal Bremen

Donnerstag, 21. September 2006

CDU will Röpke noch nicht stürzen

taz Nord vom 21.9.2006, S. 28, 58 Z. (TAZ-Bericht), kawe

Pokerspiel vor Misstrauensvotum: CDU will Zentralisierung der kommunalen Kliniken durchsetzen

Die Bremer CDU-Fraktion wird erst in drei Wochen darüber beraten, wie sie sich zu dem angekündigten Misstrauensantrag der Grünen gegen Gesundheitssenatorin Karin Röpke verhält. Das hat der CDU-Fraktionsvorsitzende Hartmut Perschau gestern klargestellt. Die Begründung: Der von der Senatorin Karin Röpke (SPD) eingesetzte Sonderermittler habe die entscheidenden Fragen an die Ressortspitze nicht gestellt, nämlich "wann sie nichts wusste und warum sie nichts wusste". Über die internen Vermerke im Ressort erfahre man nichts - per Akteneinsicht will die CDU nun diesen Teil der Aufklärung nachholen. "Es ist klar, wo die politische Verantwortung liegt", meinte Perschau. Und wenn der Staatsrat Arnold Knigge entlassen worden war, weil er zu lange dem Klinik-Chef Andreas Lindner vertraut hat, dann stelle sich die die Frage, wie lange die Senatorin ihm vertraut habe.

Eine Konsequenz aus dem Skandal liegt für die CDU dabei schon fest: Die vier Klinika müssen zu einer GmbH verschmolzen werden. Dies hatte die CDU-Gesundheitspolitikerin Rita Mohr-Lüllmann schon früher gefordert.

Der Konzernchef Wolfgang Tissen kam in der Bewertung von Perschau zunächst überhaupt nicht vor. Auf Nachfrage meinte Perschau, Tissen sei der "Möglichmacher" von Lindner gewesen. Mohr-Lüllmann bestätigte, dass sie das Konzept von Tissen unterstützt und von Verfehlungen nichts gewusst habe. Die müssten nun "lückenlos aufgeklärt werden". Die Frage nach der Rolle des Kasseler CDU-Politikers Gotthard Brand in der Affäre - er spielte für Lindner den Strohmann - verwunderte sie gleichzeitig sehr.

"Karin Röpke hat mein volles Vertrauen", stellte gestern Nachmittag Bürgermeister Jens Böhrnsen klar. kawe

Leserbrief: Einfach unglaublich.

Zum Thema "Klinik-Affäre" aus dem Weserkurier.

Der Leser ist ja nun schon seit Wochen immer mal wieder informiert worden, aber nicht einmal konnte man eine Stellungnahme aus dem Rathaus lesen. Natürlich haben wir Herrn Börnsen und einige Senatoren auf Fotos gesehen, freundlich lächelnd, Bänder durchschneidend, Einweihungen bereichernd usw., aber zum Thema keinen einzigen Kommentar.

Was da abgegangen ist in der Klinik Ost ist so haarsträubend und unglaublich, dass Politiker aller Parteien sich längst hätten zu Wort melden müssen. Aber nein, nächstes Jahr ist Wahl und natürlich haben sie alle Angst um ihre Posten und Pöstchen, niemand von der Gegenpartei wird angegriffen wie sonst so gern.

Und unsere nette Senatorin Frau Röpke, die scheinbar völlig überfordert ist mit ihrem viel zu großen Ressort sollte endlich die Konsequenzen ziehen, die Verantwortung übernehmen und zurücktreten. Die Wähler verfolgen diesen Skandal sehr aufmerksam und werden bei der nächsten Wahl die Rechnung präsentieren.

M. V., BREMEN

Muß Röpke sich einem Mißtrauensantrag stellen?

Aus dem Weserkurier vom 21.09.2006

CDU kritisiert "Unglaublichkeiten"
Klinik-Affäre: Union wird Akteneinsicht beantragen / Bürgermeister Böhrnsen stärkt Senatorin Röpke den Rücken

Von Redakteur Peter Voith

BREMEN. Trotz Rückendeckung von Bürgermeister Jens Böhrnsen bleibt Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) wegen der Klinik-Affäre unter Druck. Ihr CDU-Regierungspartner ließ gestern offen, wie er sich bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag gegen Röpke verhalten wird. Auch nach dem Bericht des Sonderermittlers haben die Christdemokraten noch Aufklärungsbedarf. Sie wollen nun Akteneinsicht beantragen.

CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau lobte in einer Pressekonferenz zwar die akribische Aufarbeitung des Sonderermittlers Hans-Jürgen Ziemann. Aber auf die Frage, welche Rolle Senatorin Röpke bei der "abenteuerlichen" Einstellung des vorbestraften und jetzt der Untreue beschuldigten Ex-Geschäftsführers des Klinikums Bremen Ost (KBO) gespielt habe, seien im Ziemann-Bericht keine ausreichenden Antworten zu finden.

Ebenso wenig habe er Antworten darauf gefunden, warum die Gesundheitsbehörde nicht bereits im Mai aktiv geworden sei, nachdem ein hochrangiger Behördenmitarbeiter kritische Fragen zur Person Lindners und dessen Verhältnis zu den Siekertal -Kliniken aufgeworfen hatte. Wie vor kurzem bekannt geworden war, ist Andreas Lindner der eigentliche Eigentümer des Klinikverbundes, mit dem er als KBO-Chef dicke Geschäfte machte.Antworten auf die Frage, wie es zu solchen "Unglaublichkeiten" kommen konnte, hat Perschau im Ziemann-Bericht indes ausgemacht:

"Das liegt am System." Danach seien die vier kommunalen Klinik-Geschäftsführer nur ihrer Klinik und ihrem Aufsichtsrat verpflichtet. Das bedeute: Die Klinikchefs seien nicht dem großen Ganzen, also der Holding, gegenüber verantwortlich. Perschau: "Im Grunde kann jeder machen, was er will." Für den CDU-Fraktionschef liegt deshalb die Konsequenz aus den Vorgängen im KBO auf der Hand: "Zwingend erforderlich" sei eine GmbH (Holding) mit vier Betriebsstätten (den kommunalen Kliniken).

Es dürfe nicht so weitergehen, "dass die Holding mehr oder weniger machtlos bleibt". Warum angesichts dessen die Senatorin nunmehr ein Gutachten zur "Weiterentwicklung des Klinikverbunds" einholen wolle, stieß bei der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU, Rita Mohr-Lüllmann, auf Unverständnis: "Wir wissen, wo wir mit unseren Kliniken stehen. Wir brauchen kein weiteres Gutachten." Außerdem erklärte sie, Senatorin Röpke trage weiter die politische Verantwortung für den Skandal im Klinikum Ost "und den immensen Imageschaden für die kommunalen Krankenhäuser in Bremen".

In knapp drei Wochen muss sich Karin Röpke einem Misstrauensantrag der Grünen stellen. Wie sich die CDU dabei verhalten wird, blieb gestern offen. Hartmut Perschau erklärte lediglich, diese Frage stehe "im Moment nicht im Zentrum". Und wie steht die CDU zur Diskussion um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses? Perschau sagte lediglich, dieser sei vorrangig "ein Instrument der Opposition".

Ob die Grünen zu diesem "schärfsten Schwert des Parlaments" greifen werden, wollen sie heute in einer Sondersitzung der Fraktion beraten. Uwe Woltemath, neuer Chef der FDP erklärte, vor dem Hintergrund der mangelnden politischen Aufsicht und vieler Ungereimtheiten sei ein Untersuchungsausschuss "unumgänglich". Kommt jetzt eine starke Holding? Während die CDU diese Konstruktion befürwortet, lehnen die Grünen sie ab. Fraktionschefin Karoline Linnert: "Ich halte nichts von zentralistischen Planwirtschaftsmodellen Marke DDR".

Und weiter: "Ich mag mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn die Herren Tissen und Lindner das Sagen über alle vier kommunalen Kliniken gehabt hätten." Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hat unterdessen seine Parteifreundin und Senatskollegin Röpke vor politischen Angriffen in Schutz genommen: "Karin Röpke hat mein volles Vertrauen."

Sie habe "entscheidenden Anteil daran, dass die Wahrheit der Klinikaffäre ans Licht gekommen ist". Sie sei ihrer politischen Verantwortung gerecht geworden und habe die Aufklärung "umgehend zur Chefsache gemacht". Vornehmlich an die Adresse der CDU gerichtet, erklärte er: "Ich gehe davon aus und erwarte, dass die Große Koalition Karin Röpke jetzt den Rücken (...) stärkt und den von den Grünen angekündigten Misstrauensantrag (...) überzeugend zurückweisen wird."

Mittwoch, 20. September 2006

Klinikskandal: Kriminell organisiert

vom 20.9.2006, S. 24, 45 Z. (Kommentar: Klaus Wolschner, taz Nord)

Wenn bekannt gewesen wäre, was in dem Bericht des Sonderermittlers zu Klinikchef Andreas Lindner steht - er wäre niemals in die engere Wahl gekommen. Offensichtlich hat der Chef der kommunalen Klinik-Holding "GesundheitNord", Wolfgang Tissen, den Staatsrat ordentlich hinters Licht geführt. Und der hat sich führen lassen.

Und hielt dann zu "seinem" Holding Chef bis zum bitteren Ende. Die Senatorin will immer noch und trotz alledem die Rolle des Holding-Chefs stärken, damit der gegen den Widerstand der Kliniken die Reform durchsetzen kann. Als wenn das nicht der Hintergrund für das fast blinde Vertrauen gewesen wäre.

Kleine Veränderungen in der Leitungsstruktur, wie sie die Senatorin jetzt vorschlägt, zeigen nur, wie dilettantisch die bisher war. Ein Vier-Augen-Prinzip bei wichtigen Entscheidungen der Geschäftsführung soll eingeführt werden! Jetzt, 2006. Immerhin.

Offensichtlich war die Behörde völlig überfordert von der Aufgabe, die von ihr freigesetzten GmbHs ordentlich zu strukturieren. Wenn "kriminelle Elemente", wie jetzt gesagt wird, über ein Jahr ein kommunales Krankenhaus ausnehmen können wie eine Weihnachtsgans, dann beweist das nicht das Versagen der kriminellen Elemente.

Dienstag, 19. September 2006

Misstrauensantrag gegen Röpke wegen Bremer Klinikaffäre

Dienstag, 19. September 2006, 17.44 Uhr (von Radiobremen.de)

Die Bremer Grünen haben angekündigt, wegen der Klinikaffäre auf der nächsten Bürgerschaftssitzung einen Misstrauensantrag gegen Röpke zu stellen. Sie habe die Verantwortung und sei deshalb als Senatorin nicht mehr zu halten.

Ob die Grünen außerdem noch einen Untersuchungsausschuss fordern, ist derzeit noch offen, erklärte die Fraktionsvorsitzende Linnert. "Es ist das schärfste Schwert des Parlaments, aber wir müssen Aufwand und Ergebnis bewerten." Am Donnerstag soll es darüber eine Sondersitzung der Fraktion der Grünen geben. Aus Sicht der Partei ist die Klinikäffäre ein Lehrstück, wie unzureichend die Kontrolle über die Gesellschaften ist, so Linnert.

Kritisch beurteilen die Grünen auch die Konsequenzen, die Sozialsenatorin Röpke aus dem Abschlussbericht ziehen will. Das Vier-Augen-Prinzip bei Vertragsunterzeichungen einzuführen, sei eine absolute Selbstverständlichkeit, so Linnert. Geld für ein weiteres Gutachten über den Klinikverbund auszugeben, lehnen die Grünen ab. Sozialsenatorin Röpke hatte erklärt, ein Misstrauens-Votum sei das gute Recht der Opposition. Mehr wollte sie nicht dazu sagen.

Der Bremer SPD-Fraktionsvorsitzende Sieling hält den Misstrauensantrag der Grünen gegen Sozialsenatorin Röpke für abwegig. Laut Sieling genießt Röpke nach wie vor das volle Vertrauen der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Er geht davon aus, dass der Antrag scheitert. Der Sonderermittler des Senats, Ziemann, hat heute seinen Abschlussbericht über die so genannte Klinikaffäre vorgelegt.

Der frühere Geschäftsführer des Klinikums Bremen-Ost, Lindner, hat demnach seine Pflichten gravierend verletzt. Lindner habe getäuscht, falsch berichtet, Vertrauen missbraucht und seine Befugnisse überschritten, sagte Ziemann. Lindner habe seine Funktion genutzt, um sich persönlich zu bereichern, so Ziemann. Dabei sei ein Schaden von 2,6 Millionen Euro entstanden. Außerdem gebe es noch Risiken über weitere zwölf Millionen Euro.

Klar sei auch, dass der frühere Chef des Klinikverbundes, Tissen, mehr gewusst hat, als er bisher eingeräumt hat. Nach Auskunft von Ziemann muss angenommen werden, dass Tissen Kenntnisse über die Aufträge an die Klinik in Rastede hatte, die Lindner selbst gehört. Damit sich so etwas nicht wiederholt, schlägt Ziemann vor, dass wichtige Verträge in Zukunft von mindestens zwei Personen unterschrieben werden. Außerdem sollen künftig Führungszeugnisse eingefordert werden. Gesundheitssenatorin Röpke hat angekündigt, diese Vorschläge umzusetzen.

Klinkaffäre: Sonderermittler stellt Schäden in Millionenhöhe fest

Dienstag 19. September 2006, 17:46 Uhr (Yahoo.de)

Bremen (ddp-nrd). Der Ex-Geschäftsführer des Klinikums Bremen-Ost, Andreas Lindner, hat dem Haus einem Gutachten zufolge einen Schaden von rund 14,8 Millionen Euro zugefügt. Für «dürftige Leistungen» von Beratern seien teilweise hohe sechsstellige Summen gezahlt worden, sagte der vom Gesundheitsressort eingesetzte Sonderermittler Hans-Jürgen Ziemann am Dienstag bei der Vorstellung seines Abschlussberichts. Für allein 5,7 Millionen Euro zuzüglich Leasingraten seien 1000 Multimedia-Nachttische bestellt worden, die «absolut keinen Sinn» machten.

Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) betonte, der Bericht Ziemanns und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft legten den Verdacht nahe, dass Lindner seine Funktion dazu genutzt habe, sich persönlich zu bereichern. «Er hat getäuscht, er hat falsch berichtet, Vertrauen missbraucht und seine Befugnisse überschritten», sagte Röpke.

Es werde juristisch geprüft, inwieweit bestehende Verträge noch gekündigt werden können. Der kommissarische Geschäftsführer des Klinikums Bremen-Ost, Uwe Schmidt, sagte, die Schadensminimierung sei existenziell für das Klinikum. Als Konsequenz aus der Affäre wird laut Röpke nun das «Vier-Augen-Prinzip» auf Geschäftsführer-Ebene eingeführt. Zudem werde die Innenrevision gestärkt.

In der Klinikaffäre ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Lindner und den Ex-Geschäftsführer des Klinikverbundes Gesundheit Nord, Wolfgang Tissen. Lindner soll unter anderen ohne Abstimmung mit dem Aufsichtsrat Verträge in Millionenhöhe mit der Siekertal-Klinik in Rastede abgeschlossen haben, deren Mehrheitseigentümer er selbst ist.

Indes haben die Grünen angekündigt, einen Misstrauensantrag gegen Röpke zu stellen. «Sie trägt die politische Verantwortung für den Klinikskandal», sagte Grünen-Sprecherin Dagmar Bleiker. In der Oktobersitzung der Bremischen Bürgerschaft solle darüber beraten werden.

(ddp)

Donnerstag, 14. September 2006

Ermittlungen auch gegen Tissens Frau

Aus dem Weserkurier vom 13.9.2006.
(Auf den Onlineseiten des Weserkurier nicht mehr auffindbar)

Neue Details in der Klinik-Affäre

BREMEN (PV). Die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt nicht nur gegen den ehemaligen Geschäftführer der kommunalen Krankenhaus-Gesellschaft Gesundheit Nord, Wolfgang Tissen, sondern auch gegen dessen Ehefrau. Der Verdacht: Beihilfe zur Vorteilsannahme. Tissen sagte gestern gegenüber unserer Zeitung: "Weder ich noch meine Frau haben uns etwas vorzuwerfen."

Wie gestern berichtet, hatte Tissen eingeräumt, ein Darlehen von 44 000 Euro vom inzwischen gefeuerten Geschäftsführer des Klinikums Bremen Ost, Andreas Lindner, angenommen zu haben - zur Finanzierung für sein zweites Haus in Wiesbaden.

Gestern war in einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft indes von fast der doppelten Summe die Rede: 87 500 Euro. Tissens Erklärung: Bei der übrigen Summe handele es sich um Honorare der Siekertal-Kliniken für seine Frau. Sie sei Krankenschwester, habe eine eigene Firma und den Auftrag bekommen, für die Siekertal-Kliniken ein "enterales Ernährungsteam" (Ernährung mit Hilfe von Sonden) aufzubauen. Wie berichtet, hatte Lindner gegenüber unserer Zeitung eingestanden, dass er selbst der eigentliche Eigentümer der Siekertal-Kliniken sei. Das Pikante: Als Klinik-Chef in Bremen-Ost hatte Lindner mit Siekertal Geschäfte über hohe Summen abgewickelt.

Auf die neuen Details zur Klinik-Affäre haben Politiker mit Erstaunen reagiert. Die FDP forderte die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Mittwoch, 13. September 2006

Hausdurchsuchung bei Ex-Klinikchef Wolfgang Tissen

Aus der taz Nord vom 13.9.2006, S. 24, 82 Z. (TAZ-Bericht), kawe

Neues aus dem kriminellen Sumpf: Kasseler CDU-Politiker war der Strohmann des Bremer Klinik-Chefs Andreas Lindner

Die Bremer Staatsanwaltschaft hat gestern offiziell mitgeteilt, dass sie in der vergangenen Woche die Privaträume des ehemaligen Chefs der Klinik-Holding "Gesundheit Nord", Wolfgang Tissen, durchsucht hat. Gegen Tissen und seine Frau gebe es den Verdacht der "Vorteilsannahme beziehungsweise der Beihilfe hierzu". Nach dem Stand der Ermittlungen soll Tissen zwischen April 2005 und März 2006 Geldbeträge von insgesamt 87.500 Euro angenommen haben und wurde "hierbei durch seine Ehefrau unterstützt".

Bisher hatte Tissen immer behauptet, er habe mit den Geschäften des Leiters vom Klinikum-Ost, Andreas Lindner, nichts zu tun. Von einem privaten Darlehen über 44.000 Euro war die Rede, das der Kasseler CDU-Politiker und Anwalt Gotthard Brand ihm gewährt habe. Kennen gelernt hatte Tissen ihn bei der Hochzeitsfeier von Lindner.

Stimmt, erklärte Anwalt Brand gegenüber der taz. Er habe Tissen vor der Feier nicht gekannt, das Darlehen floss aus der Kasse der Siekertal-Klinik-GmbH. Da war Brand als Inhaber und geschäftsführender Gesellschafter im Handelsregister eingetragen - "aber nur formal", sagt Brand, eben als Anwalt und treuhänderisch - für Andreas Lindner. Inzwischen habe er diese Treuhand-Funktion aufgegeben. Über seine Motive zu reden verbiete ihm die anwaltliche Schweigepflicht.

Das bedeutet, dass de facto Lindner selbst das Darlehen gegeben hat - an seinen Aufsichtsratsvorsitzenden und Holding-Chef. Und es bedeutet auch, dass Lindner als Klinik-Chef Millionen-Verträge mit seiner eigenen Firma abgeschlossen hat - und dies durch die Treuhand-Funktion des Anwaltes vertuschte: Unter dem Reha-Vertrag mit der Klinik Siekertal (Rastede) steht links Lindners Name für das Klinikum Ost, rechts steht "Gottfried Brand" - Lindners Strohmann für seine eigene Siekertal-GmbH.

Staatsrat Arnold Knigge hatte noch in dem guten Glauben, es handele sich bei der Siekertal-Firma um eine fremde Firma, Lindner ultimativ aufgefordert, diesen Vertrag rückgängig zu machen. Lindner hatte dann dem Ressort einen Aufgebungsvertrag vorgelegt, den er, wie man heute weiß, mit sich selbst aushandeln konnte. Und in den er den Passus hineingeschrieben hat, dass das Klinikum Ost im Zweifelsfall die Kosten für das Reha-Haus Rastede übernehmen und alle Unkosten zahlen werde - auf sein privates Konto bei der Siekertal-Klinik.

Klinikum Ost als SB-Markt missbraucht?

Übernommen aus dem Weserkurier vom 13.9.2006. Von Redakteur Peter Voith. Leider ist der Artikel am heutigen Tag nicht mehr auffindbar.

Reaktionen auf neue Details zur Klinik-Affäre / FDP ermuntert CDU und Grüne zu Untersuchungsausschuss. Ermittlungen auch gegen Tissens Frau.

BREMEN. Hat Ex-Krankenhaus-Chef Andreas Lindner die Klinik Ost "als SB-Markt missbraucht"? Entsprechende Vermutungen stellen die Grünen an, nachdem unsere Zeitung gestern berichtete, dass Lindner als Geschäftsführer in Bremen-Ost Geschäfte mit den ihm selbst gehörenden Siekertal-Kliniken gemacht hatte. Die FDP forderte unterdessen CDU und Grüne auf, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klinik-Affäre einzusetzen. Die Staatsanwaltschaft ging gestern in einer knappen Pressemitteilung auf den Fall ein.

Sie bestätigte, dass sie den Ermittlungskomplex gegen Lindner wegen Untreue auf den früheren Chef der Klinik-Dachgesellschaft Gesundheit Nord, Wolfgang Tissen, und dessen Ehefrau ausgedehnt habe. Der Verdacht: Vorteilsannahme im Amt beziehungsweise Beihilfe dazu. Im Juristendeutsch liest sich das so: "Nach den bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass der beschuldigte Geschäftsführer im Zeitraum vom 11.4.2005 bis zum 31.3.2006 als Amtsträger für seine Dienstausübung Vorteile, insbesondere Geldbeträge in Höhe von insgesamt 87500 Euro angenommen hat und hierbei durch seine Ehefrau unterstützt wurde."

Bis gestern war bekannt, dass Lindner Tissen 44000 Euro als Privatdarlehen gewährt hatte. Bei den übrigen 43 500 Euro handelt es sich laut Tissen um Honorarleistungen der Siekertal-Kliniken (Eigentümer: Lindner), die seine Frau für den "Aufbau eines enteralen Ernährungsteams" erhalten habe. Sie habe etwa Konzepte für Schulungen von Krankenhausmitarbeitern und Angehörigen erarbeitet, bei denen es um die Sondenkost-Ernährung gehe, eine Tätigkeit, die sie bereits mit ihrer eigenen Firma neun Jahre lang in Wiesbaden gemacht habe. Tissen: "Die Leistungen wurden erbracht."

Der frühere Chef der Klinik-Dachgesellschaft wehrte sich gegen den Vorwurf, er habe mit Andreas Lindner gemeinsame Sache gemacht, um etwa dessen Kliniken in Siekertal mit Aufträgen zu versorgen. Der 43-jährige Tissen: "Ich bin doch nicht bescheuert und setzte wegen 87 500 Euro meine berufliche Existenz aufs Spiel." Wie berichtet, hatte der frühere Holding-Chef erklärt, er habe nicht gewusst, dass Andreas Lindner der eigentliche Eigentümer der Siekertal-Kliniken ist, wohl aber, dass er misstrauisch geworden sei.

Die Grünen meinen nun: "Nachdem Herr Tissen Lunte gerochen hat, durfte er sich keinesfalls abspeisen lassen, sondern hätte der Sache auf den Grund gehen müssen." Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert vermutet vielmehr, dass Tissen es sich wegen des Privatdarlehens nicht mit Lindner habe verderben wollen und er "deshalb nicht weiter nachgebohrt" habe. Offenbar sei nicht nur das Gesundheitsressort mit Senatorin Karin Röpke (SPD) an der Spitze seiner Kontrollfunktion nicht nachgekommen, sondern auch Holding-Chef Tissen. Linnert: "Die Sache stinkt zum Himmel."

CDU-Gesundheitsexpertin Rita Mohr-Lüllmann beklagte abermals, dass die Regierungsfraktionen von SPD und CDU nicht vom Gesundheitsressort über die neuen Entwicklungen informiert würden. "Ich habe den Eindruck, nicht das Parlament kontrolliert den Senat, sondern die Presse." Und weiter: "Unter einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in einer Koalition verstehe ich etwas anderes." Zur Forderung des Bremerhavener FDP-Abgeordneten Willy Wedler, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen, sagte die CDU-Abgeordnete: "Das ist ein Instrument der Opposition" und gab damit den Stab weiter Richtung Grüne.

Dort hieß es, man wolle zunächst den Bericht des von Senatorin Röpke eingesetzten Sonderermittlers Hans-Jürgen Ziemann abwarten. Röpke wollte gestern nicht ausschließen, dass Lindner und Tissen rückwirkend Konsequenzen drohen.

So müsse geprüft werden, ob der mit Tissen geschlossene Vergleich (dem Vernehmen nach bekam er eine Abfindung von 135 000 Euro) Bestand haben kann und ob gegen Andreas Lindner Gehaltsrückforderungen erhoben werden. Begründung: Lindner habe möglicherweise "gezielt verschleiert", dass er Inhaber und faktischer Geschäftsführer der Siekertal-Kliniken sei. Weiter wollte sich die Senatorin nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft habe sie darum gebeten, "keine weiteren Auskünfte zu den Ermittlungen zu geben".

Dienstag, 22. August 2006

Erster Bericht des Sonderermittlers im Bremer Klinikskandal

22.08.2006 (Aus der Ärzte Zeitung)

Ex-Geschäftsführer soll "Pflichten gravierend verletzt und Befugnisse mißbraucht" haben / Beraterverträge und Gutachten ohne gültige Belege?

BREMEN (cben). Im Zusammenhang mit dem Bremer Klinik-Skandal und der Entlassung des Geschäftsführers des Klinikums Bremen Ost (KBO), Andreas Lindner, hat Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) den Sonderermittler Hans-Jürgen Ziemann eingesetzt. In einem Zwischenbericht präsentierte er Einzelheiten des Skandals. Lindner rechtfertigte indessen in einem Zeitungsinterview sein Verhalten.

Nach den ersten Ergebnissen aus dem Zwischenbericht hat Lindner offenbar Abmachungen und Geschäfte am Aufsichtsrat der Gesundheit Nord, der Holding zu der Bremen Ost gehört, vorbei betrieben. Er habe seine "Pflichten gravierend verletzt" seine Befugnisse mißbraucht und damit dem KBO "erheblichen Schaden zugefügt", so der Bericht.

Offenbar hat Lindner mehrere Beraterverträge abgeschlossen, zu denen, abgesehen von den Honorarüberweisungen, keine Spuren mehr zu finden sind. So hat Lindner zwar knapp 500 000 Euro für zwei Gutachten zu einem möglichen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) am Klinikum und eines zum OP-Management an die Firma Admed GmbH in Köln überwiesen, "aber wir haben weder Verträge noch Leistungen gefunden", sagte Ziemann.

Lindner hat zudem das KBO der Siekertal Betriebs GmbH in Bad Oeynhausen per Vertrag verpflichtet, ihre 90-Betten-Reha-Klinik in Rastede ständig mit 100 Geriatrie-Patienten aus Bremen zu belegen. Falls das nicht gelänge und die Zusammenarbeit mit Siekertal scheitere, müsse Bremen Ost die Klinik übernehmen und für die Pacht eintreten. Letzteres sei gegen den ausdrücklichen Willen des inzwischen entlassenen Staatsrates Arnold Knigge geschehen. Nachdem das Projekt gestoppt wurde, muß das Krankenhaus jetzt eventuell die Pacht zahlen.

Schließlich habe Linder mehr als 1000 überteuerte Nachtschränke für sein Haus geordert. Kostenpunkt: 7,3 Millionen Euro. Zwar sei noch kein Geld geflossen, aber die Zahlungsverpflichtung bestehe möglicherweise, so Ziemann. Die Nachtschränke sind für die KBO-Zimmer zu groß und könnten laut Ziemann wegen ihrer elektronischen Finessen erst nach einer Umbauinvestition von 1,2 Millionen Euro genutzt werden.

In einem Zeitungsinterview mit dem Bremer "Weser-Kurier" vom vergangenen Freitag verteidigte Lindner seine umstrittenen Entscheidungen. Die Investition für die Nachtschränke hätte sich über die Nutzungsgebühren der Patienten gerechnet. Und bei der Vereinbarung über die Rasteder Reha-Klinik habe er auf Betreiben Knigges reagiert. Als die Kooperation nicht zustande kam, seien auch beim Partner Siekertal Kosten aufgelaufen, die zu berücksichtigen gewesen seien.

Im September will Ziemann den Abschlußbericht vorlegen.

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